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Marghanita Laski

Herz, sprich lauter

Buchcover

Marghanita Laski entdeckte ich Anfang des Jahres 2020 im Arche-Literaturkalender. Ich wurde neugierig auf den neu übersetzten und bereits 1949 veröffentlichten Roman Herz, sprich lauter

Herz, sprich lauter behandelt auch nicht den Konflikt zwischen "Verstand und Gefühl", wie in einer Rezension zu lesen ist. Der Roman setzt nicht auf klischeebehaftete Dichotomien. Vielmehr ringt der kriegstraumatisierte Protagonist namens Hilary um eine Entscheidung, die sich rationalen Argumenten widersetzt. Das eben ist der Clou in dieser Geschichte und wird von Marghanita Laski virtuos und mitfühlend ausgelotet. Selbst in den Situationen, in denen Hilary das Für und Wider abzuwägen versucht (entscheidet er sich für ein fünfjähriges Kind, obwohl er nicht sicher ist, ob es sein Sohn ist), muss er erkennen, das sein Abwägen und Denken von Dünkel und Selbstverleugnung geprägt ist.  Hinzu kommt die übermächtige Angst vor erneutem Verlust (Hilarys geliebte Frau wurde von den Nazis ermordet), die ihm eine  Entscheidung zuerst unmöglich macht. Trotzig verleugnet er seine Sensibilität, seine untrügliche Intuition, die sich bereits bei der ersten Begegnung für das Kind entschieden hat.

Hilary scheint mir für eine zerrissene Generation zu stehen, die in jungen Jahren den Zweiten Weltkrieg erlebt und geliebte Menschen verloren hat. Alleingelassen mit den Verlusten und Ängsten galt es ein komplett neues Leben aufzubauen. Und Marghanita Laski zeigt die inneren Qualen, die Selbstzweifel und die Selbstverleugnungen, die das mit sich brachte. Zugleich erzählt sie mit empathischer Distanz, wie Hilary nicht nur das verlorene Kind, sondern auch sich selbst zu retten vermag. Beides ist nicht zu trennen.

Fazit: Ein bewegendes Buch, mit einer spannenden Handlung, die im letzten Satz eine Überraschung parat hat, mit der ich nicht gerechnet habe. So wie es im echten Leben halt auch manchmal spielt.  

Ralph Segert ° 03. April 2020 ° Rubrik Moderne Klassiker