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Franz Jung

Das Trottelbuch

Illustratives Bild

Neben Ernst Toller war es die Geschichte von Franz Jung, die mich in dem Buch ”Die verbrannten Dichter" in den Bann zog. Mit Freude habe ich danach entdeckt, dass der Verlag Edition Nautilus eine Werkausgabe von Franz Jung im Programm hat, die der kleine, verwegene Verlag als “förderungsfreie Edition” nach 16 Jahren und in 14 Bänden vollenden konnte. Neben der Werkausgabe werden auch Einzelausgaben von Franz Jung wie zum Beispiel Das Trottelbuch aufgelegt. Das Trottelbuch erschien 1912 als erstes Buch von Franz Jung. Von den drei Erzählungen hat mich vor allem “Die Erlebnisse der Emma Schnalke” beeindruckt. Franz Jung schildert darin komprimiert die Liebe einer Frau zu einem Mann, an dessen Depressionen, Eifersucht und Zerrissenheit sie zu zerbrechen droht, wobei das Ende offen bleibt, was damals als Provokation empfunden wurde. Franz Jung erzählt in einer Sprache, die nicht den Eindruck hinterläßt, dass diese Erzählung vor 109 Jahren geschrieben wurde. Die Sprache also und die Thematik der Entfremdung zwischen den Geschlechtern geben dieser Erzählung eine Aktualität, die mich erstaunt hat. Aber der Autor schenkt dem Leser nichts: Franz Jung seziert die Verzweiflung, anstatt sie geniessbar zu machen, er macht das “schleichende Gift” der inneren und gegenseitigen Aufzehrung sichtbar und deutet unaufdringlich an, dass es als zermürbende Zumutung einer deformierten Gesellschaft in die Seelen sickert. — Das Trottelbuch bei Edition Nautilus.

Ralph Segert ° 02. Februar 2021 ° Rubrik Vergessene Literatur